BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

OV Murnau & Umgebung

Antrag: Demokratie stärken: Beteiligung an und in der Kommunalpolitik fördern - mehr Repräsentanz von Frauen und jungen Menschen

08.01.19 –

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,

100 Jahre sind nun schon seit Einführung des Frauenwahlrechts vergangen und doch müssen wir uns oft fragen, wo sind sie denn, die Frauen, in der Politik, also auch in den Kommunalparlamenten?
Mit Blick auf den Marktgemeinderat stellen wir ernüchternd fest:
Von 24 Gemeinderät*innen sind gerade mal 8 Frauen. Von den 8 Frauen sind gerade mal 2 unter 40 Jahren, der Altersdurchschnitt beträgt insgesamt stolze 52 Jahre. Angesichts der Tatsache, dass die Hälfte der Menschen Frauen sind und wir gerade in Murnau viele junge Familien haben, ist das eine eher traurige Nachricht.

Die Gründe für die mangelnde Repräsentanz von Frauen aber auch grundsätzlich für die magere Bereitschaft von Menschen, insbesondere Jüngeren, sich kommunalpolitisch zu engagieren, liegen vor allem im strukturellen Bereich der Kommunalpolitik(1):

1. Zunächst kann bereits bei der Listenaufstellung der Parteien/Gruppierungen bemerkt werden, dass schon dort keine Parität in Sachen Listenplätze herrscht. Dies würde bedeuten, dass 50 % der Listenplätze Frauen vorbehalten und im Reißverschlussverfahren zu besetzen wären.

2. Die Sitzungszeiten sind oft nur schwer sowohl mit familiären als auch beruflichen Realitäten in Einklang zu bringen. Viele ArbeitnehmerInnen arbeiten Vollzeit, da fällt es nach einem langen Arbeitstag schwer, sich ab 19 Uhr noch einige Stunden zusätzlich konzentriert zu arbeiten, schließlich geht es um zukunftsweisende und oft auch finanziell schwerwiegende Entscheidungen für die Kommune. Bei vielen Familien spielt sich aber ein großer Teil der gemeinsamen Zeit unter der Woche abends ab, d.h. wenn die Sitzung um 18 oder 19 Uhr beginnt, sitzt man eigentlich gemeinsam bei Tisch, spielt mit den Kindern und bringt diese ins Bett. Gerade wer kleinere Kinder hat, verpasst hier einen nicht unerheblichen Teil des Familienlebens. Deshalb sollten Sitzungen grundsätzlich früher stattfinden. Dadurch dass Sitzungstermine immer schon im Herbst für das kommende Jahr kommuniziert werden, hat man auch Monate im Voraus Zeit, sich entsprechend zu organisieren. Und einige Male im Jahr sollen Schulklassen im Rahmen des Unterrichts Gelegenheit haben, an Sitzungen teilzunehmen.

3. Für eine grundsätzliche Aufwertung des politischen Ehrenamts braucht es aber auch dringend eine finanzielle Aufwertung des sogenannten Ehrenamtes. Wer sich wirklich gut einbringen will, muss mit einer zusätzlichen wöchentlichen Arbeitszeit von oft 20 Stunden plus x rechnen. Dies zusätzlich zum Berufs- und Privatleben aufzubringen, stellt eine große Herausforderung dar und ist nicht lange gut machbar. Deshalb muss dieses Pseudoehrenamt ab einer gewissen Gemeindegröße eher in eine Art Teilzeitarbeit umgewandelt werden. D.h. wir brauchen eine höhere Aufwandsentschädigung damit man es sich leisten kann, die Hauptberufstätigkeit zu reduzieren. Somit könnte man nicht nur mit mehr Konzentration und Elan an das Mandat rangehen, sondern auch die Sitzungszeiten besser an das Familienleben anpassen.
Geltendes Recht deckt leider nur einen Rechtsanspruch auf Verdienstausfall nur während der regulären Arbeitszeit ab: Entweder, wenn das Gehalt weiter läuft direkt an den Arbeitgeber, oder wenn eine unentgeltliche Freistellung erfolgt, dann als Zahlung an das Ratsmitglied. D.h. für Menschen, bei denen die Sitzung in der "Freizeit" liegt, gibt es keinen klassischen Verdienstausfall. Das ist in sehr vielen Gemeinden der Fall, in denen die "alten" Verhältnisse herrschen: Sitzung am Abend ab 18 Uhr, mit v.a. abhängig Beschäftigten oder Selbständigen. Da gibt es für niemanden einen Verdienstausfall. Ebensowenig gibt es in Bayern ein Recht auf die Freistellung vom Arbeitgeber.
Allerdings:
Es gab diesbezüglich bereits Vorstöße im Landtag das zu verändern, u.a. eine Expertenanhörung die z.B. darauf hinwies, dass es in anderen Bundesländern, z.B. NRW bereits anders geregelt ist. Unterstützung gab es dazu von der SPD, von den Gewerkschaften und der Wissenschaft. Leider scheiterte eine Änderung bisher an den kommunalen Spitzenverbänden und der CSU.
Gut ist, dass wir in Murnau bereits eine Regelung haben, die ist allerdings ausbaufähig: In unserer Satzung zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts heißt es im § 3 Abs. 2:
“Selbstständig Tätige erhalten eine Pauschalentschädigung von 15 € je volle Stunde für den Verdienstausfall, der durch Zeitversäumnis in ihrer beruflichen Tätigkeit entstanden ist. Sonstigen Gemeinderatsmitgliedern, denen im beruflichen oder häuslichen Bereich ein Nachteil entsteht, der in der Regel nur durch das Nachholen versäumter Arbeit oder die Inanspruchnahme einer Hilfskraft ausgeglichen werden kann, erhalten eine Pauschalentschädigung von 15 € je volle Stunde.

4. Gleichzeitig müssen auch die Teilnahme an Arbeitskreise, Workshops usw. vergütet werden, bisher leisten diese vielen zusätzlichen Sitzungen alle Ratsmitglieder umsonst. Die Bürgerschaft hat in der Regel überhaupt keine Ahnung, wie viele Stunden unentlohnte Arbeit von vielen Gemeinderatsmitgliedern geleistet wird, darüber gehört mehr aufgeklärt um ein besseres Verständnis zu erreichen.

5. Weiterhin gehören die Referentenposten mit einer Sondervergütung aufgewertet. Wer sich auf einem Gebiet vertieft Wissen aneignet und noch weitere Stunden z.B. in Besprechungen mit Verwaltungsmitgliedern, ExpertenInnen usw. investeriert, muss das in seiner Freizeit machen bzw. sich dafür frei nehmen und das ohne Entschädigung. Gleichzeitig gehört die Stellung der ReferentenInnen aufgewertet.

6. Als weitere Maßnahme für ein familienfreundliches Kommunalparlament sollten von der Kommune die Kosten für einen Babysitter übernommen werden, sofern ein Ratsmitglied für die Mandatsausübung einen benötigt.

7. Zu guter Letzt ist es dringend notwendig Artikel 37 des Gemeinde und Landkreiswahlgesetzes (GLkrWG) dahingehend zu ändern, dass man im Falle der Mandatsniederlegung aus bestimmten Gründen (z.B. Elternzeit) wieder auf die Nachrückerliste gesetzt wird. So ist das z.B. in Österreich fast überall der Fall. Das gilt im Übrigen auch für die Landtagsabgeordneten, auch sie werden hier im Vergleich zu normalen ArbeitnehmerInnen benachteiligt und können keine Elternzeit nehmen. Es ist dringend geboten, dass sich die Kommune beim Landtag einsetzt, dass dieser Artikel geändert wird, um das Amt attraktiver zu machen.

Konkret beantrage ich:

1. Gemeinderatssitzungen finden grundsätzlich um 16 Uhr statt, Ausschusssitzungen ggf. früher. 4x pro Jahr finden Sitzungen vormittags statt, damit Schulklassen einen realistischen Einblick in die Kommunalpolitik erhalten können und junge Menschen für ein Engagement vor Ort begeistert werden können. Auf die Erstattungsmöglichkeiten für ArbeitgeberInnen bzw. unbezahlt freigestellte ArbeiternehmerInnen wird hingewiesen.

2. Die Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an Sitzungen und ggf. der monatliche Grundbetrag wird erhöht.
Die Entschädigung für Selbständige wird auf ein realistisches Maß erhöht und für Menschen, die im Haushalt mind. eine Person zu betreuen haben, wird ebenfalls eine Entschädigung geschaffen.
Damit ist auch eine Kostenübernahme für Kinderbetreuung gemeint, z.B. Babysitter, die im Zusammenhang mit der Mandatsausübung entstehen.

3. ReferentenInnen erhalten am Ende eines Jahres einen Bonus. Die max. Höhe ist vom Gemeinderat festzulegen und abhängig von der erbrachten Leistung. Ein genaues Verteilungssystem ist zu erarbeiten.

4. Der Gemeinderat setzt sich per Resolution für eine Änderung von Artikel 37 des Gemeinde und Landkreiswahlgesetzes (GLkrWG) im o.g. Sinne ein und hält in dieser Sache regelmäßig beim Landtag nach. Ebenso wird das Thema über den Bayrischen Gemeindetag thematisiert.

Mit freundlichen Grüßen

Veronika Jones
Gemeinderätin

(1) https://www.budrich-journals.de/index.php/gender/article/viewFile/17961/15636 https://www.frauen-macht-politik.de/fileadmin/Dokumente/wzb_studie_unterrepraesentanz_frauen_kommunalpo litik_1_.pdf
https://www.deutschlandfunkkultur.de/frauen-in-der-kommunalpolitik-alltagsheldinnen-und.976.de.html?dram:a rticle_id=316471

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