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30.03.20 –
Ein Kommentar von Veronika Jones
Covid-19 legt nun seit wenigen Wochen unser gesamtes Leben mehr oder weniger lahm, wir alle stehen vor Situationen, die wir nicht kennen, für die wir keine Chance hatten, uns darauf weder mental noch organisatorisch vorzubereiten. Dennoch haben wir keine andere Wahl, als diesen Herausforderungen in allen Bereichen des Lebens, der Wirtschaft und der Politik mit Zuversicht, Optimismus und klugem Handeln zu begegnen. Die Vogelstraußtaktik des Kopf eingraben oder vor lauter Bedenken suchen keine Lösungen mehr finden, ist nicht angebracht.
Wir brauchen jetzt eine Politik, insbesondere auf kommunaler Ebene, die die Fäden in die Hand nimmt. Eine Politik, die gemeinsam mit allen Beteiligten in einem transparenten und öffentlichen Prozess schnelle und pragmatische Lösungen entwickelt, gute Beispiele sucht und übernimmt. Um Menschen die Hilfe suchen und Menschen die Hilfe anbieten zusammen zu bringen. Um den Einzelhandel und die Betriebe zu unterstützen. Und um all das Gerede von Gemeinschaft und Miteinander nun endlich mit Leben zu erfüllen!
Da sich sowohl die persönliche Kommunikation als auch für viele der berufliche Alltag nun im virtuellen Raum abspielt, besteht in dieser Zeit die Chance, die guten Seiten der Digitalisierung zu nutzen um mit ihr unser Einkaufsverhalten hin zum Fokus auf lokale Betriebe zu ändern und gleichzeitig der Politikverdrossenheit und der daraus entstandenen „Hass und Hetze“-Gesellschaft Einhalt zu gebieten, in dem wir Diskussionen und Entscheidung und Hintergründe transparent und leicht zugänglich für alle ins Netz übertragen.
Hierzu gibt es für viele Bereiche schon gute Lösungsansätze. Diese gilt es zu bündeln und auf Murnauer Verhältnisse anzupassen. Natürlich, nicht alles ist perfekt oder wird auf Anhieb klappen. Nur ist jetzt nicht die Zeit für monatelange Diskussionen. Jetzt ist die Zeit des Handelns. Zeit für Lernen durch Anwenden.
Aus Gründen der Lesbarkeit und der Übersichtlichkeit sind die verschiedenen Handlungsfelder mit konkreten Lösungsvorschlägen im Folgenden als Liste dargestellt.
I. Kommunalpolitische Entscheidungen und Informationen
Falschinformationen, Halbwahrheiten gepaart mit der Meinungsbildung durch den Konsum von Überschriften und dem Aufwand, Quellen zu prüfen, können das Vertrauen in die Demokratie schwächen und zu Panik, Hass und Hetze führen. Dagegen hilft nur maximale Transparenz.
1. Alle Sitzungen, inkl. der Ausschüsse, finden über Videokonferenz statt und werden über Live Stream übertragen. Die Aufzeichnungen sind auch später noch zugänglich. Die technischen Möglichkeiten sind hierzu längst gegeben.
2. Alle Unterlagen zu den öffentlichen Sitzungsteilen werden auch vorab über das Internet der Bevölkerung zugänglich gemacht. Das ist bereits über das existierende Ratsinformationssystem möglich.
3. Die Gemeinde stellt tagesaktuelle Entwicklungen der Bundes- und Landespolitik in Sachen Corona sowie die jeweils aktuellen Zahlen zu Erkrankungen und Todesfällen und zur Situation der medizinischen Versorgung zentral, ansprechend, verständlich und leicht auffindbar auf ihrer Internetseite dar. Diese ist im Moment viel zu unübersichtlich und unstrukturiert. Hierfür muss temporär und sofort ein fähiges Team abgestellt werden und ggf. die Leistung über Freiberufler zugekauft werden. Es braucht sowohl die technische Umsetzung, als auch texterisches Können, um einfach und klar Informationen rüber zu bringen. Um’s mal ganz ehrlich zu sagen, Zitate und Bilder des Bürgermeisters braucht es da nicht.
4. Eine Taskforce, klein und agil, bestehend aus Verwaltung, Medizinischen Experten, Rettungskräften und Wirtschaft, koordiniert alle Maßnahmen und sorgt für maximale Transparenz. Ebenso wie den niederschwelligen Zugang zu Informationen, sprich über weitere Medien als nur Online, und alle Angebote auch für hör- und seheingeschränkte Menschen aufbereitet sowie in leichter Sprache.
II. Solidarische Hilfsangebote
Derzeit entstehen an vielen Stellen singuläre Aktionen, viele einzelne – teils sehr gute – Ideen finden wenig Gehör, schaffen es nicht einer breiten Masse bekannt zu werden. Gleiches gilt für die Angebote des Handelns. Auch dieser lebt in diesen Wochen stark von der Solidarität, von der Bereitschaft lokal zu kaufen, auf Betellungen bei großen Playern wie liefergott.de zu verzichten. Qualität statt Quantität ist die Maxime der Zeit. Es gilt, alle (Hilfs)Angebote zu bündeln, zentral darzustellen und zu bewerben. Hierfür muss die Kommune verantwortlich zeichnen.
1. Hilfen für Risikogruppen wie Ältere oder chronisch Kranke werden von diesen noch nur zögerlich angenommen. Fast alle Haushalte gehen noch selbst einkaufen. Hier muss viel stärker sensibilisiert werden, über den Ernst der Lage, und darüber, dass jeder Kontakt außerhalb des eigenen Haushalts ein potentielles Infektionsrisiko darstellt. Angebote, z.B. für Einkaufsdienste müssen persönlich angeboten werden, es braucht dazu vermutlich Vertrauenspersonen. Diese können aus Vereinen, den Kirchengemeinden aber auch aus der Ärzteschaft kommen.
2. Menschen in besonderen Lebenslagen brauchen spezielle Hilfsangebote. Von Notfallnummern bei häuslicher Gewalt bis hin zur psychologischen Betreuung. Auch diese Angebote müssen zentral und noch viel einfacher zugänglich bekannt gemacht werden. Hier gilt es auch, die örtlichen Apotheken bei der Inhouse-Herstellung von Desinfektionsmitteln aktiv zu unterstützen.
3. Auch der Einzelhandel, das Handwerk, die Landwirtschaft, die Gastronomie und alle andere Betriebe, Solounternehmer*innen und Kulturschaffende leben derzeit stark von unserer Solidarität. Leben wir endlich das Vor-Ort-Einkaufen, das Weniger ist Mehr! Die allermeisten Angebote sind inzwischen über Lieferservice direkt nach Hause zu bekommen. Bestellt wird online, über Telefon oder gleich einen eigenen Onlineshop. Und wer nicht alles im Netz hat, bietet trotzdem Service an: Kund*innen können die Schaufensterauslage fotografieren, anrufen und beschreiben, was sie suchen....die Kreativität der Unternehmen scheint hier grenzenlos zu sein! Und darüber hinaus können eigentlich überall Gutscheine erworben werden! Für die Zeit danach, wenn wir wieder gemeinsam draußen leben, lachen und genießen.
Diese Angebote werden derzeit auf der von mir initiierten Plattform www.gemeinsam-im-oberland.de zentral gebündelt. Und damit da nicht jede Ortschaft ihr eigenen Süppchen kocht und auch hier Ressourcen gebündelt werden sowie auch mehr Gemeinschaft unter den Ortschaften entsteht, gibt’s die Plattform gleich für 3 Landkreise!
Diese Plattform kann der Anfang für eine Onlineplattform für den Einzelhandel für später sein. Ob man dafür wirklich alle Waren einstellen muss? Mit einem teuren Warenwirtschaftssystem? Glaub ich nicht. Es geht darum, zu wissen, was es vor Ort gibt und das interessiert Einheimische wie Tourist*innen gleichermaßen.
Ebenso kann hierüber endlich die Direktvermarktung für landwirtschaftliche Erzeugnisse direkt ab Hof sein! Von Hofläden bis Selbstbedienungskühlschränken, die Angebote sind vielfältig, doch kaum ein Mensch kennt die bisherigen Plattformen, auf denen diese Angebote zu finden sind, geschweige denn, die Angebote selbst. Diese Plattform sollte dringend von der Kommune finanziell unterstützt werden, laufend weiterentwickelt und für die Zeit nach Corona zur Stärkung der regionalen Kreislaufwirtschaft und der Lebendighaltung unseres Ortes genutzt werden. Und zwar in Zusammenarbeit mit den anderen Kommunen.
III. Finanzielle Hilfen
Mit der Unterstützung des Einzelhandels durch Überdenken des persönlichen Konsumverhaltens ist es leider nicht getan. Viele Unternehmen haben hohe Verbindlichkeiten, die Maßnahmen der Kommune sind nur ein Aufschieben von Schulden, Löhne – auch die eigenen! – müssen bezahlt werden, viele Vermieter*innen sind nicht bereit, die Miete zumindest teilweise zu erlassen oder wenigstens zu stunden. Gerade Start-Ups oder Einzelhändler*innen mit Saisonware stehen hier vor großen Herausforderungen. Dies gilt aber auch für z.B. für Kulturschaffende und Freiberufler*innen aller Art. Wir müssen dringend und schnell dafür sorgen, dass unsere heimische Wirtschaft mit so wenig wie möglichen Verlusten hervorgeht. Schon allein aus grünem Eigeninteresse: Denn wenn Wirtschaft und Handel erst mal am Boden liegen, werden wir viel Zeit und Geld in diesen Wiederaufbau stecken werden müssen. Geld, das dann für Klimaschutz aber auch ganz banale soziale Themen wie Kinderbetreuung einfach fehlen wird. Je länger wir also warten, desto teurer wird das am Ende für uns alle.
1. Ein Überbrückungsfinanzierung für die Betriebe, die Antrag auf Soforthilfe vom Land (neu: auch vom Bund) gestellt haben, wäre ein erster Schritt. Es ist jetzt schon zu sehen, dass für viele das erhoffte Geld leider nicht vor dem 1. April eingegangen sein wird. Hierfür hätte es eine Zwischenfinanzierung durch die Kommune gebraucht. Schade, dass unser Grüne Antrag dazu mit der Begründung „zu viel Aufwand“ abgelehnt wurde. Ich meine, es kann auch ohne Aufwand gemacht werden. Wer den Antrag abgeschickt hat (Versandbestätigung Email reicht) erhält sofort den beantragten Betrag als Überbrückung. In dem die Auszahlung durch das Land bei Unterschrift bei der Gemeinde damit direkt an diese verpfändet wird, gibt es kein Risiko für die Kommune. Dies nun erneut zu prüfen, ist umso wichtiger, da nun die bayrische Soforthilfe für Unternehmen bis 10 Beschäftigte mit der Hilfe des Bundes verrechnet wird. Da die Gelder über den Bund nach wie vor (Stand 29. März) nicht beantragt werden können, ist hier mit längeren Überbrückungszeiträumen zu rechnen.
2. Alle Forderungen seitens der Gemeinde an Betriebe und gewerbliche Mietparteien müssen über die bereits beschlossenen Stundungsangebote hinaus geprüft werden, ob sie nicht komplett erlassen werden könnten oder ob bestimmte Steuersätze nicht per Sondersitzung umgehend und ggf. sogar rückwirkend gesenkt werden können. Eine Erlassung und Senkung soll dabei selbstverständlich einer KURZEN und schnellen Prüfung der finanziellen Verhältnisse unterliegen. Es ist nicht geboten, diese Krise zur Rettung oder Lebensverlängerung eines bereits „hirntoten“ Betriebs auszunutzen.
3. Der Flaschenhals bei der Soforthilfe von Land und Bund sind die zuständigen Entscheidungsbehörden, im Fall von Murnau die Regierung von Oberbayern. Dabei wäre es wohl durchaus möglich, die Vorprüfung der Anträge auf die Kommunen zu übertragen. Das hat den Vorteil, dass die Kommunen viele Betriebe bereits kennen und hier schneller die Glaubwürdigkeit – und nichts anderes wird ja im Antrag im Grunde genommen abgefragt – bestätigen. Die ohnehin dünne Personaldecke in den Behörden (trotz aktueller Aufstockung) könnte ihre Kapazitäten dann auf die reinen Auszahlungsmodalitäten konzentrieren.
4. Aufgrund der derzeit sehr strengen Risikoprüfungen der Banken für KfW-Kredite an die Unternehmen, werden diese viel zu restriktiv vergeben und verfehlen ihre Wirkung. Hier können kommunale Bürgschaften Abhilfe schaffen. Hierfür muss umgehend eine externe Stellungnahme zur Beihilferechtskonformität der Kommunalbürgschaft eingeholt oder ein Notifizierungsverfahren durchgeführt werden.
5. Ebenso sollte bereits jetzt über ein Förderprogramm zukunftssicherer Unternehmen und Branchen nachgedacht werden. Die kommenden Wochen werden unserer Leben durch die stärkere Nutzung der Digitalisierung stark verändern und dem Ganzen eine viel größere Akzeptanz – die es dringend braucht – bescheren. Hierin liegt eine große Chance. Denn nun haben wir es in der Hand, diese Zukunft selbst zu gestalten. Mit attraktiven Arbeitsplätzen für junge Menschen, Auszubildende wie Studienabsolvent*innen. Gleichzeitig ist durch den temporären Stillstand das Tempo bei der Wiederaufnahme von Klima- und Umweltschutzabgaben noch mehr anzuziehen. Hierfür braucht es z.B. Betriebe in der Solarbranche, aber auch der dazugehörigen Branchen wie Elektrotechnik und Handwerksbetriebe für die Dachinstallationen. Viele dieser Unternehmen gibt es heute noch nicht in Murnau und der Region bzw. nicht in der benötigten Anzahl. Gerade solche Unternehmen sollten daher besonders gefördert und maximal unterstützt werden. Die, die schon da sind, um die Krise zu überstehen, die, die noch nicht da sind, holen wir mit einer klugen Ansiedlungsstrategie.
Wir müssen jetzt trotz allem auch an die wirtschaftliche Zukunft verbunden mit den Herausforderungen des Klimawandels denken.
6. Für den Themenbereich Wirtschaft brauchen die Betriebe eine*n verlässliche*n Ansprechpartner*in. Wir haben einen fähigen Wirtschaftsförderer. Das IQ ist das beste Beispiel dafür. Wer davon trotzdem nicht überzeugt war, sieht sich bitte mal an, in welch Rekordzeit er alle wichtigen Infos für Unternehmen zentral auf einem Blog zusammengetragen hat und das alles leicht verständlich gratis für alle zugänglich gemacht hat. Von der fast rund-um-die-Uhr Betreuung für Unternehmer*innen mal gar nicht zu sprechen. Vom Mitaufbau der Gemeinsam im Oberland Plattform auch mal ganz zu schweigen. Nur: Ein Mensch kann sich nicht teilen. Wir brauchen einen Krisenmanager speziell für die Wirtschaft. Den haben wir. Und dem sollten wir jetzt umgehend offizielle dieses Befugnisse und Aufgaben in seine Stellenbeschreibung übertragen.
7.Die Marktgemeinde muss sich über ihre Einflussmöglichkeiten im Aufsichtsrat der Sparkasse auf das Äußerste für die vereinfachte Kreditvergabe an Unternehmer*innen stark machen. Insbesondere der Bürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrats muss hier die Interessen der Betriebe vertreten und Murnaus Zukunft im Blick haben.
8. Sobald der Alltag wieder langsam einkehren kann, braucht es ein umfassendes Wirtschaftskonzept für die Zukunft. Begonnen mit einer Bestandsaufnahme nach der Krise hin zu einer Ansiedlungsstrategie für Unternehmen, die uns die Energie- und Mobilitätswende mitgestalten, die Arbeitsplätze für künftige Generationen sichert und die mit für Murnaus Klimaneutralität verantwortlich zeichnen werden. Denn auch das alles geht nur gemeinsam. Für dieses Projekt braucht es Macher*innen. Und die Bereitschaft, entsprechende Investitionen zu tätigen.
9. Der Gemeinderat beauftragt den BGM die Fraktionen im Landtag sowie den MP anzuschreiben und darin ein umfassendes und schnelles finanzielles Hilfspaket für die Kommunen bereitzustellen. So wie es schon im Nachtragshaushalt abgebildet ist.
Fazit
Es sind große, gemeinsame und vor allem schnelle und parallele Anstrengungen und Maßnahmen nötig, um einerseits so gut wie möglich aus dieser Krise herauszukommen und um andererseits damit jetzt den Grundstein für einen starken Einzelhandel und zukunftssichere Branchen in Murnau zu legen.
Wir brauchen JETZT entschlossenes und mutiges Handeln. Die Politik muss durch maximale Transparenz und unter Einbeziehung aller Akteure für Vertrauen in die Maßnahmen sorgen und die Weichen für die kommenden Wochen stellen.
Dies alles ist möglich. Alle Lösungsvorschläge sind machbar, sind umsetzbar. Ich erwarte nun vom Bürgermeister und den aktuellen und künftigen Gemeinderät*innen, dass sie gemeinsam an einem Strang ziehen, statt Bedenken suchen sich auf das Finden von Lösungen konzentrieren und statt Zerreden endlich dringend benötigte Entscheidungen treffen.
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