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30.03.17 –
Kommentar unserer Sprecherin Doro Sührig zur gleichnamigen Veranstaltung des Fördervereins Hallenschwimmbad Murnau e.V. am 29. März 2017 im Kultur- und Tagungszentrum Murnau:
Viel Podium, wenig kontroverse Diskussion und noch weniger Fakten wurden den Teilnehmern der Veranstaltung des Fördervereins für den Bau eines Hallen(schul)schwimmbades in Murnau gestern Abend im KTM geboten.
Es ist unbestritten und auch für mich als dreifache Mutter völlig nachvollziehbar, dass es angenehm sein könnte in fußläufiger Nähe eines Schwimmbades zu wohnen. Sicherlich wäre es auch wünschenswert, den Sportunterricht von der Grundschule bis zum Schulabschluss durch regelmäßiges Schulschwimmen ergänzen zu können. In den Lehrplänen ist das Erlernen von zwei Schwimmarten verankert, ebenso wie die Aufforderung an die Sachaufwandsträger, dies nach Möglichkeit zu gewährleisten. Natürlich ist es erschreckend, dass viele Kinder und Jugendliche nicht schwimmen können und selbstverständlich gibt es Situationen, in denen dieses Unvermögen zur Gefahr für Leib und Leben werden kann.
Diese Argumente standen gestern im Mittelpunkt der Veranstaltung. Es war von Eltern die Rede, die sich eine Möglichkeit zur Freizeitgestaltung bei Regenwetter in Murnau wünschen, weil eine Fahrt mit dem ÖPNV nach Garmisch-Partenkirchen oder Oberammergau aufwendig und vor allem teuer ist. Die Zuhörer*innen erfuhren, dass bei einer Schülerumfrage aus 2011, bei der weniger als 50% der Umfragebögen ausgewertet werden konnten, sich rund 60% der befragten Schüler zum Thema „Freizeitgestaltung“ ein Schwimmbad in Murnau wünschen. An dieser Stelle sei jedoch die Frage erlaubt, an welche Art von Schwimmbad Kinder und Jugendliche denken, wenn sie nach Wünschen zur Freizeitgestaltung gefragt werden. Aus meiner familiären Erfahrung heraus wage ich die Prophezeiung, dass sich die meisten von ihnen kein Sportbecken mit angeschlossenem Lehrbecken sehnlichst wünschen. Mit Schwimmbädern und Bademöglichkeiten zur Freizeitgestaltung ist unsere Region, zumal während der Sommermonate mit ihren zahlreichen Strand- und Freibädern wirklich reichlich gesegnet.
Seit dem Bau der Realschule verfügt Murnau über eine Schullandschaft, die dankenswerterweise jede Schulform coedukativ anbieten kann. Die Schülerzahlen sind erfreulich hoch, weil Kinder aus den umliegenden Orten die weiterführenden Schulen gern besuchen. Beim Vergleich der Schülerzahlen und der Sportklassen zwischen Murnau und Garmisch-Partenkirchen hat Herr Bierling jedoch leider die Erwähnung der St. Irmengard Schulen (Realschule, Gymnasium und FOS) unterschlagen, um den Schulstandort seiner Heimatgemeinde attraktiver zu rechnen. Dies war, so schien es mir und auch anderen Zuhörern am gestrigen Abend jedoch nur der Auftakt zu einer Reihe großzügig gestalteter Zahlenwerke.
Die Baukosten titulierte Herr Bierling für das geplante Lehrschwimmbad auf 6 Millionen Euro, ohne Grundstück. Ob dies in Schulzentrumsnähe überhaupt zu finden ist, bleibt völlig offen. Diese Baukosten könnten im Idealfall, unter der Ausschöpfung aller verfügbaren Fördermittel, auf rund 4 Millionen Euro zusammengestampft werden. Ausgehend vom Idealfall rechnete Herr Bierling dann die Abschreibung mit einem ausgesprochen optimistisch niedrigem Zinssatz in die Betriebskosten ein. Die vorgestellte Betriebskostenrechnung blieb maximal optimistisch. Bei einer Betriebszeit von 94 Stunden in der Woche unter der Annahme der Vollbelegung durch Frühschwimmer, Schulklassen, Vereine, Schwimmkurse und Stammschwimmer, die für solide Einnahmen sorgen sollen, will er das Bad mit 2,5 Planstellen betreiben. Die Beantwortung der Frage, wie er dies bewerkstelligen möchte, hätte „an dieser Stelle zu weit geführt“, so der Gemeinderat und das Mitglied des Fördervereines. Also blieb es bei der Berechnung von 140000 Euro jährlich für die Personalkosten. Stromkosten, Wasserkosten, sonstige Betriebskosten wurden auf einer übersichtlichen Folie jeweils mit sehr geraden Zahlen (und nur durch den Hinweis des Vergleichs mit ähnlichen Anlagen) belegt. Zumindest bei mir blieben viele Kostenfragen unklar. Mit den „sonstigen Betriebskosten“, wie Verwaltung, z.B. (angegeben mit 20000 Euro p.a.) möchte der Förderverein auch die Reinigungskosten durch eine externe Firma abdecken. Dazu mag sich jeder, der sich in einem Schwimmbad auf den Toiletten schon mal geekelt hat, sein eigenes Bild machen. Unterm Strich blieb es jedoch auch bei den vom Förderverein vorgestellten Zahlen bei einem Betriebskostendefizit von 300000 Euro. Jahr für Jahr, wohlgemerkt. Diese Kosten wollen jedoch getragen werden. Und diese Kosten werden getragen von den Familien, denen die Fahrt, wir erinnern uns, zu den umliegenden Schwimmbädern zu teuer ist! Sollte der Förderverein beim nächsten Mal Unterschriftenlisten auslegen, so wäre es doch ehrlich, den Bürger*innen dies zu sagen. Die Frage sollte nicht lauten, ob die Menschen sich ein Schwimmbad in der Nähe wünschen, sondern ob die Menschen sich ein Schwimmbad in der Nähe wünschen, wenn dafür beispielsweise die Grundsteuer angehoben werden muss. Die Finanzierung durch eine signifikante Erhöhung der Zweitwohnsitzsteuer wurde in diesen Tagen schließlich nicht zuletzt von Herrn Bierling verhindert. Auch der Markt Murnau kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Ob dieser sprichwörtliche Euro in Zeiten der empfindlichen Knappheit von bezahlbarem Wohnraum, gerade für Familien, hier sinnvoll investiert ist, möchte ich zur Diskussion stellen.
Frau Weller las zum Beginn der Veranstaltung einen Text vor, der beschrieb, dass es bereits in der Antike zur höheren Bildung gehörte, des Schwimmens mächtig zu sein. Ein geflügeltes Wort beschrieb ungebildete Menschen demnach mit „er konnte weder Schwimmen noch Lesen“. Die Frage, ob er Rechnen konnte, beantwortete das Buch von Frau Weller leider nicht.
Natürlich wurde auch der gesundheitliche Aspekt des Schwimmens, gerade für Senioren, beleuchtet. Jedoch ergab dieser Vortrag für jeden mittelmäßig ambitionierten Leser der „Apotheken Umschau“ keinerlei neue Erkenntnisse.
Vollmundig angekündigt waren für den Abend Experten aus den Bereichen Schwimmbadwesen und Ingenieurswesen, für die auch zahlreiche Plätze in der ersten Reihe reserviert waren. Bedauerlicherweise meldete sich aber keiner der Experten zu Wort, so dass auch diese Erwartung an den Verlauf der Veranstaltung enttäuscht wurde.
Die anschließende Diskussion wurde leider sehr schnell unsachlich und lässt sich, von den Veranstaltern gewollt, auf die Formel herunterbrechen, wer nicht für das Vorhaben ist, ist gegen unsere Kinder, die ohne das Bad demnächst in Massen den Ertrinkungstod sterben werden. Dieser Argumentation folgend, plädiere ich an dieser Stelle für die Verbannung des Individualverkehrs aus den Ortschaften, da ich mich an wesentlich mehr tragische Fälle erinnern kann, in denen Kinder in den letzten Jahren durch Blech zu Schaden kamen, denn an solche, wo dies durch Wasser geschah.
Zur Moderation durch den angekündigten Stargast, dessen Namen ich bereits vergessen habe, schweige ich lieber weitgehend. Herr Beuting hatte diesbezüglich jedoch mein volles Mitgefühl.
Zu guter Letzt möchte ich noch einmal auf meine Kinder zurückkommen. Keines meiner drei Kinder hat je einen Schwimmkurs besucht, weil die mir einfach viel zu teuer waren. Keines meiner drei Kinder hat regelmäßigen Schwimmunterricht in der Schule, obwohl meine Töchter in Garmisch-Partenkirchen das nicht-existente Gymnasium besuchen. Dennoch konnten alle drei noch vor der Einschulung schwimmen. Warum? Weil wir es ihnen beigebracht haben.
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