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02.11.17 –
Bereits im Mai diesen Jahres begann der Ortsverein Murnau und Umgebung von Bündnis 90/ Die Grünen gegen Rechtsextremismus vorzugehen. Besonders der bürgerliche Rechtsextremismus war Ziel von Kampagnen. In der Sitzung des Rates der Marktgemeinde Murnau am Staffelsee wurden weitgehende Entscheidungen getroffen. Die Rätin Veronika Jones erreichte zusammen mit ÖDP-Räten, dass die Marktgemeinde Murnau am Staffelsee zwei Ehrungen, die an NSDAP-Mitglieder vergeben worden waren, posthum aberkannt wurden. Der Ehrenbürger Professor Dr. Max Dingler (1883 – 1961) war in der Marktgemeinde als Mundartdichter und Naturschützer in Erinnerung geblieben. Der Zoologe erwarb sich als Naturschützer große Verdienste für den Erhalt des Murnauer Mooses. So beschloss ein anderer Rat der Marktgemeinde 1979 einstimmig und mit positiven Äußerungen des Schulleitung und des Elternbeirates, die neu erbaute Hauptschule nach Max Dingler zu benennen. Dies geschah dann am 18. April 1980 durch eine Verordnung der Regierung von Oberbayern mit Wirkung vom 1. August 1980. Nur ein damaliger Lehrer erhob Protest, weil der Max Dingler Nationalsozialist gewesen sei. Der Zoologe Max Dingler, Leutnant am Ende des Ersten Weltkriegs war Mitglied im rechtsextremen „Bund Oberland“. Dingler engagierte sich in der Führung der Bayerischen Einwohnerwehr. Sein Professor-Vater – das war günstig – war Professor Karl Escherich, der Bruder des Einwohnerwehr-Gründers Dr. Georg Escherich. Während er seine Habilitation bei Professor Karl Escherich anfertigte, begleiteten er und andere Assistenten Professor Escherich zu Reden Adolf Hitlers. Dingler war von Hitler begeistert und trat in die NSDAP ein. Als Zoologe war ihm das sozialdarwinistische und biologistisch rassistisch antisemitische Menschenbild des Nationalsozialismus bekannt. Ob der Nationalsozialist Dingler am Hitler-Ludendorff-Putsch teilgenommen hat, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Um den „Blutorden“, den alle Teilnehmern des Marsches auf die Feldherrenhalle zustand, fehlte Dingler die ununterbrochene Parteizugehörigkeit zwischen 1923 – sie wäre Bedingung für die Verleihung des Blutordens gewesen. Dingler wurde nach dem Verbot der NSDAP jedoch erst 1933 wieder Mitglied – auf den Blutorden hatte er keinen Anspruch. Das heißt, er könnte deshalb durchaus an dem versuchten Staatsstreich teilgenommen haben. Dingler baute seine eigene Arbeitsstätte in München auf, ein biologisches Museum, mit Hilfe von Beziehungen zu prominenten Nationalsozialisten und sehr viel Opportunismus. 1958 riet ausgerechnet das Bayerische Kultusministerium davon ab, Professor Dingler einen Verdienstorden Erster Klasse zu überreichen, weil er am Hitler-Putsch beteiligt gewesen sei. Der Historiker ist kein Jurist, der nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten, entscheidet. Im Falle Dinglers reichen die historischen Fakten. Ein Bekenntnis zum demokratisch verfassten Rechtsstaat leistete Max Dingler nie. Als Vorbild für eine demokratisch verfasste Zivilgesellschaft konnte Dingler deshalb eben nicht dienen. Hier war eine politische Entscheidung fällig. Eine Entscheidung, die Aussagekraft hat für eine Gesellschaft, die wieder von einer rassistischen und demokratiefeindlichen Bewegung bedroht wird. 2011 wurde der Name „Max-Dingler-Hauptschule“ auf Weisung des Bayerischen Kultusministeriums gestrichen 2015 erhielt die Schule den Namen „Christoph-Probst-Mittelschule“. Erst jetzt, 2017 wurde die Ehrenbürgerschaft für Max Dingler gestrichen.
Schon die Diskussion, gehalten von seinen Verteidigern in Form einer pseudohistorischen Erbsenzählerei, lassen einige Ratsmitglieder in Murnau in ungünstigem Licht erscheinen. Lorenz Sonderer erhielt die „Bürgermedaille“. Noch peinlicher verhielt sich der Rat im Zuge der Diskussion um die Distanzierung von dieser Ehrung. Der Hitlerjugend-Bannführer und Nationalsozialistische Führungsoffizier war an einem Endphasenverbrechen in Niederösterreich beteiligt. Er veranlasste die Ermordung von 200 Insassen und vier hoher Gefängnisbeamter. Allen historischen Indizien zum Trotz äußerten Mitglieder des Marktgemeinderates sogar an diesen offensichtlichen Fakten Zweifel. Das Abstimmungsverhältnis von 14 Stimmen für die Aberkennung zu immerhin acht Gegenstimmen wirft kein gutes Bild auf das Gremium. Noch mehr verraten Bemerkungen:
Die Anmerkung, Kriterien eines Rechtsstaates bei der Beurteilung des Verhaltens zweier Nationalsozialisten während des NS-Regimes anzulegen, sei wie „Duschen ohne nass zu werden“, verkennt einige Fakten. Bis 1933 galten Menschen- und Grundrechte im Deutschen Reich. Durch die Verordnung des „Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Reich“, der sog. „Reichstagsbrandverordnung“, wurden die meisten Menschen- und Grundrechte am 28. Februar 1933 aufhoben. Der Ausnahmezustand wurde 1937 und 1941 verlängert. Dieses Argument ist also unhistorisch und geschmacklos.
Die Behauptung, der Rat sollte sich nicht mit „ollen Kamellen“ befassen, zeigt ein sonderbares Geschichtsverständnis. Wer mit solchen Argumenten Mitmenschen, die der AfD zuneigen, überzeugen will, wird Zustimmung zu rassistischen Überzeugungen erfahren, aber kein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung erreichen. Das sind gewöhnlich Zeitgenossen, die für zwölfjährige Ladendiebe lange Haftstrafen verlangen. Die dann aber gefährliche „Reichsbürger“ für harmlos und die NSU-Attentäter zu „Einzelfällen“ erklären.
Speziell wir Mitglieder von Bündnis 90/ Die Grünen im Kreisverband Garmisch-Partenkirchen und insbesondere in Murnau haben zielstrebig und mit Wissen um die Bedeutung auch demokratischer Symbole die wesentlichen Schritte zur Aberkennung und Distanzierung von zwei Demokratiefeinden und NS-Anhängern als politischen Paradigmenwechsel durchgesetzt. Angesichts des gegenwärtigen Rechtsrucks ist das ein Zeichen für die Bedeutung der Demokratie und ein Bekenntnis zur Zukunft an Stelle des gewohnten Blicks in die Vergangenheit und den Angriffen auf die Demokratie.
(Thomas Wagner ist Historiker und Pressereferent des Kreisverbandes Garmisch-Partenkirchen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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